Ihre Arbeiten irritieren und berühren den Betrachter. Werke der beiden amerikanischen Künstler Duane Hanson (1925 – 1996) und Gregory Crewdson (geb. 1962) stehen im Mittelpunkt der Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden, die unter dem Titel „Unheimliche Wirklichkeiten“ vom 27. November 2010 bis zum 6. März 2011 zu sehen ist.
Mit seinen naturgetreuen Skulpturen ist Duane Hanson ein Synonym für den zeitgenössischen Realismus in der Modernen Kunst geworden. Als Motive dienen ihm Durchschnittsmenschen, Hausfrauen, Kellnerinnen, Autoverkäufer, Hausmeister. Haltung und Ausdruck der Figuren sind ganz nah an der Realität. Der Fotograf Gregory Crewdson inszeniert seine großformatigen Bilder mit cineastischem Aufwand und lässt die Abgründe hinter den alltäglichen Fassaden durchschimmern.
Beide Künstler beschäftigen sich mit Menschen, deren alltäglichem Leben, mit den Hoffnungen, Sehnsüchten und geplatzten Träumen. Menschen, die wir gewöhnlich übersehen, die gealtert und von der Wirklichkeit, dem Leben gezeichnet sind. Während Hanson seine lebensgroßen Figuren mit viel Sympathie formt, verbreitet Crewdson auf seinen Bildern von einsamen Menschen in ihren Häusern, Gärten, auf Straßen eine eher düstere, bedrückende Stimmung.
Die Ausstellung im Museum Frieder Burda präsentiert rund 30 Einzelfiguren von Duane Hanson, größtenteils aus dem Nachlass des Künstlers, im Dialog mit 20 großformatigen Arbeiten der Serie „Beneath the Roses“ des Fotografen Gregory Crewdson. Die Fotografien stammen überwiegend aus dem Besitz des Künstlers.
Götz Adriani und Patricia Kamp kuratieren die Ausstellung
Den Kuratoren Götz Adriani und Patricia Kamp geht es nicht um eine direkte Konfrontation. Sie präsentieren vielmehr zwei Künstler, die mit unterschiedlichem Material arbeiten, sich aber mit ähnlichen Themen beschäftigten. Hanson und Crewdson sind große Inszenatoren ihrer Kunst. Crewdson inszeniert seine Bilder sehr aufwändig in einem ausgesuchten Umfeld, auch Hanson hat seine nahe Umgebung immer im Blick.
Patricia Kamp: „Sowohl Duane Hanson als auch Gregory Crewdson lassen, in unterschiedlichen Medien, durch Vermischung von realistisch wirkender Künstlichkeit und Banalität unheimliche Wirklichkeiten entstehen.
In den Menschenbildern von Hanson und den Fotoarbeiten von Crewdson werden gewöhnliche Situationen aus dem US-amerikanischen Alltagsleben in den Mittelpunkt gerückt, wenn auch künstlerspezifisch leicht verändert. Durch akribische Ergänzung von ikonischen Details in aufwändiger Produktion entstehen komplexe und vielschichtige Werke, die Spannungsverhältnisse verdeutlichen, z. B. Mensch und Gesellschaft, Authentizität und Künstlichkeit. Die Werke von Hanson und Crewdson haben zugleich eine universelle Aussage, was allgemein ansprechend, bei vertieftem Blick jedoch auch beklemmend und unheimlich wirken kann.“
Duane Hanson – Realität bis ins kleinste Detail
Hanson wurde am 17. Januar 1925 in Alexandria, Minnesota geboren. Er gilt als Begründer des Hyperrealismus. Hanson studierte ab 1951 zunächst an der University of Minnesota, später an der Cranbrook Academy of Art in Bloomfield Hills, Michigan.
Von 1953 bis 1960 lebte er in Deutschland, wo er in München als Kunstlehrer und in Bremerhaven als Bildhauer tätig war. Von dem deutschen Bildhauer George Gyro erhielt er den Anreiz für Materialien wie Polyesterharz und Fiberglas. 1961 kehrte Hanson in seine Heimat zurück und begann mit der Arbeit an seinen lebensechten, maßstabsgetreuen Figuren.
In den 1970er Jahren verschob er den Schwerpunkt seiner Arbeit von politischen Themen auf die Darstellung des amerikanischen Alltags, vom Bauarbeiter über Büroangestellte bis hin zu der fülligen Flohmarktverkäuferin. „Meine Arbeit handelt von Menschen, die in stiller Verzweiflung leben. Ich zeige die Ratlosigkeit, die Müdigkeit, das Altern, die Frustration“, erklärt Duane Hanson.
1972 nahm er an der documenta 5 in Kassel teil, was ihm zum internationalen Durchbruch verhalf. Seit den 1990er Jahren fanden viele Retrospektiven des Oeuvres statt. Heute existieren 114 seiner Fiberglas- und Bronzefiguren, zuzüglich einiger Varianten. Duane Hanson verstarb im Jahr 1996 im Alter von 70 Jahren in Boca Raton, Florida.
Gregory Crewdson: rätselhaft faszinierende Abgründigkeit
Auch Crewdson rückt den Menschen ins Zentrum seiner geheimnisvollen Fotografien, allerdings hintergründiger. Während Hansons Figuren auf eine sympathische Weise berühren, lösen Crewdsons Bilder Unbehagen aus. Bei Crewdson sind die verträumten Menschen eingeschlossen in ihren Räumen, verloren auf Straßen oder einsam in Cafés sitzend. Man spürt beim Betrachten dieser Bilder, dass es hinter den Fassaden bröckelt. Auch in den Gesichtern zeichnen sich die Spuren des Lebens ab, nicht so explizit wie bei Hanson, sondern unterschwellig subtil.
Gregory Crewdson, geboren am 26. September 1962 in Brooklyn, New York, inszeniert seine Fotos mit einem Aufwand, der sonst nur für Hollywood-Filme betrieben wird. Seine Werke, die manchmal an Filme von Alfred Hitchcock, David Lynch oder Steven Spielberg erinnern, lassen viel Spielraum für Interpretationen.
Crewdson hat das Bild immer schon im Kopf, bevor er dieses dann in mehreren Tagen auf abgesperrten Straßen und mit einer großen Crew perfekt inszeniert. Stimmung oder Wetter erzeugt er künstlich, auch einmal mit einer riesigen Regenmaschine. Seine geheimnisvollen Bilder halten die Balance zwischen familiär und befremdlich. Sie rühren an die großen Sinnfragen des Lebens, muten manchmal beinahe mystisch an.
Crewdsons Vater, ein Psychologe, hatte seine Praxis im Untergeschoss des eigenen Wohnhauses. Als Kind habe er versucht, Gespräche mit den Patienten zu belauschen, gesteht der Künstler. Auch heute noch spielt die Psychoanalyse in Crewdsons künstlerischem Werk eine Rolle. Auf seinen in dunklen Farben gehaltenen ästhetischen Fotografien inszeniert er eine Realitätsebene zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, in der das Chaos des Lebens für einen Moment zum Stillstand kommt.
In den Arbeiten beider Künstler spiegelt sich auf beeindruckende Weise die Komplexität des menschlichen Daseins wider.
Unheimliche Wirklichkeiten
Duane Hanson und Gregory Crewdson
27. November 2010 bis 6. März 2011
Preise
Eintritt regulär: 9 €
Eintritt ermäßigt: 7 €
Studenten der Kunst oder Kunstgeschichte: 3 €
Gruppenkarte (ab 15 Personen): je 7 €
Familienkarte (1-2 Erwachsene, Kinder): 20 €
Museum Frieder Burda
Lichtentaler Allee 8b, 76530 Baden-Baden, www.museum-frieder-burda.de
Tel: 07221/39898-0, Fax: 07221/39898-30
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr, Montag geschlossen
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